Auszug aus einem Brief von Sepp Kerschbaumer, Frangart bei Bozen, Südtirol, im Februar 1961

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Auszug aus einem Brief von Sepp Kerschbaumer, Frangart bei Bozen, Südtirol, im Februar 1961

Wir Tiroler wollen selber frei entscheiden…

An alle, die es angeht:

Schon des öfteren, wenn mir vorkam, nicht mehr schweigen zu können, habe ich meine Gedanken in Bezug auf unser Heimatproblem „Südtirol“ in Briefen und Rundschreiben kundgetan und sie so anderen vermittelt. Wenn auch das alte Sprichwort wahr ist, das sagt: „Reden ist Silber – Schweigen ist Gold“, so gibt es doch Umstände, die das Reden zur Pflicht machen, ja wo das Schweigen ein Verbrechen wäre…

…Es gibt Menschen, bei denen das moralische und das völkische Gewissen schon lange erloschen zu sein scheint; und warum denn? Weil ihr persönliches Wohlergehen ihr erster und letzter Wunschtraum ist und weil diese Menschen auf Grund ihrer Selbstzufriedenheit das Unrecht und die schreiende völkische Not entweder nicht sehen wollen und andererseits die brutale Gewalt des Unterdrückers gewollt oder ungewollt übersehen und wenn sie zu feige sind, dagegen etwas zu unternehmen. Das Südtiroler Volk hofft – und hofft schon seit über 40 Jahren – von der Zwangsherrschaft des italienischen Nationalismus befreit zu werden. Wird ihm, diesem arbeitsamen, christlichen Volk noch einmal die Freiheit zurückgegeben werden, die ihm von Italien geraubt wurde und wird es wieder mit seinen Stammesbrüdern jenseits des Brenners (und dies ist die einzige gerechte Lösung) ein gemeinsames Leben führen können? Wenn die verantwortlichen Männer unserer Zeit sich über unser gutes, heiliges, von Gott gegebenes Recht, kalt hinwegsetzten, dann wird das gleiche Schicksal auch sie eines Tages erreichen. Und wer nicht den Mut aufbringt, sich gegen die Gewalt im kleinen Rahmen zu wehren, der wird es im großen überhaupt nicht imstande sein. Südtirol wird für alle, die glauben, für das Recht der Freiheit zu kämpfen, ein Prüfstein sein.

Aus dieser einfachen und klaren Erkenntnis heraus gibt es für Sie nur eine Konsequenz: Ihre Bemühungen, uns Südtiroler zu unserem heiligen Recht zu verhelfen – d.h. das schwere Unrecht wieder gutzumachen. Es geht in diesem Fall nicht um Einzelfragen, sondern um das Ganze. Italien hat die heilige Pflicht, das ins seinen Händen befindliche, gestohlene Gut – Südtirol – wieder zurückzuerstatten. Wir Tiroler wollen selber frei entscheiden, mit wem wir zusammenleben wollen. Es gibt für uns, und dies muss Ihnen klar sein, nur eine Sicherheit, in Frieden und Freiheit als Tiroler weiter leben zu können, vereint mit allen übrigen Tirolern im Staate Österreich. Nicht das Schicksal Südtirols steht hier auf dem Spiel, sondern es geht letzten Endes um Sein oder Nichtsein der freien Welt. Haben Sie daher Mut, bestehen Sie diese Bewährungsprobe vor der Geschichte. Gott möge Ihnen dabei helfen!

Unser Gebet und unsere Mitarbeit wird Sie in Ihren schweren Aufgaben unterstützen.

Mit den besten Grüßen und Wünschen
Sepp Kerschbaumer

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