Pfossental/Schnals:

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Heimatbund erinnert an ungesühnten faschistischen Mord

Im Pfossental (Schnalstal) zwischen Gasthof Jägerrast und etwa 400 Meter vor der Jausenstation Mitterkaseralm steht ein Marterle für den Hirten Johann Spechtenhauser, der hier 72-Jährig feige von einem 18-jährigen faschistischen Grenzmilizer am 21. Juli 1942 erschossen wurde. Das Marterle wurde aus einem geklobenen Baumstamm gemacht, in den beiden Innenseiten wird in deutscher und italienischer Sprache das tragische Ende des alten Hirten geschildert.

Am vergangenen Samstag, den 19.Juli hat der Südtiroler Heimatbund bei seinem Marterle einen kleinen Kranz niedergelegt und an den feigen Mord an diesem einfachen Hirten vor 83 Jahren erinnert. Er war einer von Vielen, die dem faschistischen Terror zum Opfer fielen. Da das Schnalstal keine Schützenkompanie hat, waren auch 4 Mitglieder der Schützenkompanie Naturns mit Hauptmann Marcel Doliana und eine Marketenderin anwesend. Auch die Journalistin Manuela Sartori, Buchautor Max Unterrichter, der SHB-Obmannstellvertreter und Ehrenhauptmann der Schützenkompanie Kastelbell Luis Pixner und einige Interessierte wohnten der Gedenkfeier bei.

Der Bürgermeister der Gemeinde Schnals, der sich wegen andersweitiger Verpflichtungen entschuldigen ließ, hatte ein aufrüttelndes Grußwort geschickt, das SHB-Obmann Roland Lang nach seiner Begrüßung vorgelesen hat.

„Geschätzte Anwesende, heute versammeln wir uns in tiefem Gedenken an das unschuldige Opfer eines feigen Mordes, der uns vor Augen führt, zu welchen Abgründen der Mensch fähig ist. (…) Wir gedenken nicht nur Johann Spechtenhauser, sondern aller Opfer des Faschismus, der seine Zerstörungs­lust schon vor achtzig Jahren über unsere Heimat brachte. Unter dem Deckmantel falscher Ideale wurden Familien auseinandergerissen, Freunde getötet, Träume zerstört. Dieser Mord reiht sich ein in jene lange Kette der Gewalt, die im Namen einer verbrecherischen Weltanschauung begangen wurde. Lasst uns heute nicht nur trauern, sondern auch lernen und handeln. Wir dürfen nicht vergessen, dass Zivilcourage und Menschlichkeit stärker sind als Hass und Gewalt. Jeder von uns trägt die Verantwortung, wachsam zu bleiben – in Schulen, auf Straßen, in Gesprächen – und jedwede Form von Extremismus entschieden zurückzuweisen. (…) Möge dieses Mahnmal mahnen und gleichzeitig Zuversicht schenken: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, nie wieder feiger Mord.“ So Peter Grüner, Bürgermeister der Gemeinde Schnals in seinem Grußwort.

Johann Spechtenhauser war 72 Jahre alt als er am Dienstag, dem 21. Juli 1942, früh morgens von der 1.954 Meter hoch gelegenen Mitterkaser-Hütte aufbrach, um auf dem alten Wirtschaftsweg gegen den Roßberg hinauf zu seinen weidenden Schafen zu gelangen. Im Rucksack hatte er Salzlecksteine mitgenommen, so begann Buchautor und Heimatforscher Günther Rauch seine Gedenkansprache.

Pfarrer Rudolf Baur hat in seinem Buch die Geschehnisse von 1942 kurz, aber dennoch ziemlich genau rekonstruiert und publik gemacht, so Rauch über seine Nachforschungen.

Laut dem Hochwürden war Johann Spechtenhauser ziemlich in die Jahre gekommen und sehr schwerhörig. Das wussten alle im Dorf.

Das wussten auch die Finanzer und Milizen die seit September 1926 nach der Fertigstellung der gewinnträchtigen Elektrozentrale der Gesellschaft „Atesina“ in der eigens gebauten Kaserne mit dem Namen „Certosa“ lebten. 

Der ahnungslose 72jährige Schafhirte hatte eine kurze Rast eingelegt. Jetzt krachte der erste Schuss! Die Kugel, ein Dum-Dum-Geschoss [Artilleriegeschoss] zerriss den armen Hirten den Unterlaib; gleich folgte der zweite Schuss und zerschmetterte ihm die Knie.“

Der Jagdaufseher Alois Kofler hatte die Schüsse gehört. Er holte sein Jagdgewehr aus dem Hause und eilte zum Tatort.

Dort stieß er auf einen rothaarigen 18jährigen faschistischen Grenzmilizier, der den Jagdaufseher aufforderte, sofort das Gewehr abzulegen. Für den erfahren Schnalser Jagdaufseher war klar, dass die zwei Schüsse nicht von einem Wilderer stammten, sondern vom Artilleriegewehr des jungen faschistischen „Grenzlers“ abgefeuert worden waren.

Mit Vorsicht gab Kofler ihm zu verstehen, dass er amtlicher Jagdaufseher und berechtigt sei, ein Gewehr zu tragen; und er behalte auch sein Gewehr. Inzwischen machte der Schafhirte seinen letzten Atemzug.

„Es war Mord. Daran ändert nichts, dass sich die näheren Umstände im Dunkel der Geschichte verlieren“, schreibt der Präsident des Südtiroler Kulturinstituts und Direktor des Bozner Realgymansiums Georg Mühlberger 2012 im „Vinschgerwind“.

Nicht verschwiegen wurde der Mord an Johann Spechtenhauser von dem aus Göflan im Vinschgau stammenden Schnalser Pfarrer Johannes Dietl. Er war der Onkel des populären Vinschgauer Politikers Hans Dietl und ein enger Gefährte von Kanoniks Michael Gamper.

Als Pfarrer von Schnals war Johannes Dietl vom ungeheuren Mord am „Weber-Hans“ sofort informiert worden. Er wusste, dass die Repressionstruppen der Faschisten das Vorgefallene mit allen Mitteln unterdrücken würden. Es wurde sogar ein falscher Todestag in Umlauf gebracht. Dietl erwies sich in dieser verzwickten Lage als sehr intelligent.

Noch am 21. Juli 1942 hatte der Pfarrer im Sterberegister der Pfarre Unser Frau in Schnals folgenden Vermerk zur Todesursache von Johann Spechtenhauser eingetragen: „Johann Spechtenhauser wurde von einem 18jährigen Grenzmilizler ohne Grund erschossen.“ Den genauen Todestag hielt Pfarrer Johannes Dietl nachträglich auch im Taufbuch fest. Das ist mehr als ein dokumentarischer Beweis, so Rauch.

Und es gibt ein Sterbebild von der Beerdigung des Hirten, auf dem die Todesumstände im Text vorsichtig verschleiert sind:

„Christliche Erinnerung zum Gebete für die Seele des Jünglings Johann Spechtenhauser, welcher am 25. Juni 1870 in Unserfrau (Schnals) geboren und am 22. Juli 1942 bei Ausführung seiner treuen Hirtenpflicht plötzlich verschieden ist. Er ruhe in Frieden!“

Ein Staat, der die Verbrechen des faschistischen Regimes und ihrer Erben in Südtirol unbestraft lässt und Unrechte nicht beseitigt, ist anfällig für einen neuen Totalitarismus, mit dieser Warnung schloss Günther Rauch seine Gedenkansprache.

Hingewiesen sei auch auf die Broschüre „Ungesühnter Mord am Schnalser Weber Hans“ von Günther Rauch, in der ausführlich auf die damaligen Ereignisse eingegangen wird. Sie ist beim SHB erhältlich.

Mit einem Dank an alle Anwesenden für ihr Kommen, galt es doch bis zum Marterle einen Fußweg von einer Stunde zu bewältigen, schloss SHB-Obmann Roland Lang die Gedenkfeier.

Für den Südtiroler Heimatbund

Roland Lang

Obman

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