Appell an die Südtiroler Jugend

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Die jungen Menschen sind die Hoffnungsträger für die Zukunft. Sie werden einmal Verantwortung übernehmen müssen, im öffentlichem Leben wie im privaten.

Als wir in den fünfziger und sechziger Jahren zum Sprengstoff gegriffen haben, waren wir auch jung, viele von uns waren verheiratet und hatten kleine Kinder zu Hause. Es war nicht die Abenteuerlust, die uns dazu getrieben hatte, sondern die Auswegslosigkeit, in der sich unser Land befand. Der faschistische Geist herrschte in Südtirol noch weiter, die Unterwanderung und Italienisierung wurde staatlich gefördert. Der Pariser Vertrag blieb ein leeres Blatt Papier. Volkstumspolitisch, wirtschaftlich und sozial hatten wir keine Chance: rund 10.000 junge Leute mußten ins Ausland gehen, um Arbeit zu suchen. Auf Intervention Österreichs antwortete Italien immer mit derselben Floskel: der Pariser Vertrag ist erfüllt, wir führen keine Verhandlungen, sondern nur Gespräche. In dieser Auswegslosigkeit bleib uns kein anderer weg übrig, als zur Gewalt zu greifen.

Die Abtrennung des südlichen Tirols nach dem Ersten Weltkrieg vom übrigen Tirol und dem Vaterland Österreich war eine große Ungerechtigkeit, die die Alliierten zu spät erkannten. Wir sind zu einem Staat geschlagen worden, der durch die nationalistischen Kräfte kein Verständnis hatte für andere Volksgruppen, und mit dem wir nichts gemeinsam haben, weder di Sprache noch die Kultur oder die Mentalität.

Deshalb war das Hauptziel unseres Widerstandes die Wiedergutmachung des großen Unrechts durch Selbstbestimmung. Jenes Punktes in den Menschenrechtspakten von Helsinki, der eigens geschaffen wurde, um Kriege zu verhindern. Sepp Kerschbaumer hat im Brief vom Februar 1961 wörtlich geschrieben: "Wir Tiroler wollen selber frei entscheiden, mit wem wir zusammenleben wollen. Es gibt uns dies muss Ihnen (den Politikern) klar sein, nur eine Sicherheit, in Frieden und Freiheit als Tiroler weiterleben zu können, vereint mit allen übrigen Tiroler im Staate Österreich.

Und daran hat sich bis heute nichts geändert, außer dass wir die Selbstbestimmung auf legalem Weg fordern können. Denn Italien hat die Menschenrechtspakte von Helsinki vollinhaltlich ratifiziert und somit können wir sie jederzeit verlangen. Der verstorbene international anerkannte Völkerrechtler und große Südtirolfreund Prof. Felix Ermacora hat vor vielen Jahren im Grieser Kulturheim bei einer Veranstaltung gesagt: "Keine Macht der Erde kann einem Volk auf die Dauer die Selbstbestimmung vorenthalten, auch Italien den Südtirolern nicht, aber wollen und verlangen muss man sie!"

Inzwischen hat sich vieles gebessert, wir haben einen ansehnlichen Wohlstand erreicht, aber dieser hat auch viele Nachteile. Der politische Weitblick wird getrübt, der Wille, die eigene Heimat zu bewahren und zu schützen, wird geschwächt und wir sind kaum mehr bereit, Opfer für unsere Heimat zu bringen. Die Assimilierung geht aber schleichend weiter, ohne dass wir es bemerken und trotz der "angeblichen Modell-Autonomie". Sie ist zwar als Übergangslösung brauchbar, aber ein Schutz für unsere Tiroler Eigenart ist sie nicht. Die Gefahr kommt nicht mehr so sehr vom italienischen Staat als vielmehr von den Südtirolern selbst. Wir nähern uns langsam aber stetig der Mentalität der Italiener, der Wille, unsere Heimat und unsere Eigenart zu erhalten, wird immer schwächer. Wenn das so weitergeht, wird einmal die Zeit kommen, wo wir uns sagen müssen, die vielen Opfer des Freiheitskampfes waren umsonst.

Wir Südtiroler sind sicher überzeugte Europäer, aber wir wollen auch gute Tiroler sein. Deshalb können wir es schwer nachvollziehen, das die europäischen Staaten vereinigt werden ein Problem im Herzen Europas, die Wiedervereinigung Tirols nicht vollzogen wird. Ein Volk darf seine Wurzeln und seine Muttersprache nicht verleugnen, sonst geht es zugrunde. Im heutigen Zeitalter der Globalisierung bekommt der Begriff "Heimat" wieder einen großen Stellenwert. Das kann aber nur dort sein, wo unsere Kultur, Sitten und Bräuche und unsere Muttersprache lebendig erhalten werden!

Darum appelliere ich an die heutige Jugend: hegt und pflegt sie, seid euch eurer Verantwortung bewusst, damit unsere schöne Heimat Tirol wieder das wird, was sie über tausend Jahre lang war: das Land im Gebirge, das Völker verbindet und nicht trennt! Ein echter Frieden kann nur auf Gerechtigkeit aufgebaut werden, niemals auf einem Unrecht! Ein bekannter deutscher Politiker hat einmal gesagt: Es soll wieder zusammenwachsen, was zusammengehört!" Darum, liebe Jugend, lasst das Feuer der Freiheit nicht erlöschen!

Sepp Mitterhofer
Obmann des Südtiroler Heimatbundes

Meran, am 4. September 2004

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