Stellungnahme zur Vorlage des SVP-Landesgesetzes zum amtlichen Gebrauch der geografischen Namen

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egon_kuehebacher_200_2009.jpgItalien ist nicht damit zufrieden, dass der Süden Tirols ein Teil des italienischen Staatsgebietes wurde, er sollte auch in einen Teil des italienischen Sprach- und Kulturraumes umgewandelt werden. Um das zu verwirklichen, musste ein möglichst dichtes Netz von Ortsnamen aus italienischem Sprachstoff konstruiert werden. Dieses Namennetz wurde von Ettore Tolomei geschaffen, der ganz offen seine Absicht erklärte:


Die Italianität der Ortsnamen sollte zeigen, dass Südtirol ein
uritalienisches Land sei, dessen wahrer Charakter unter einer nur
dünnen deutschen Tünche verborgen liege. Durch faschistische
Namendekrete Mussolinis aus den Jahren 1923 und 1940 wurde das
„Prontuario“ Tolomeis, das für rund 8000 geografische Örtlichkeiten
Südtirols eine italienische Bezeichnung festlegt, das amtliche
Namenbuch Südtirols, und damit verbunden war das Verbot des Gebrauchs
der bodenständigen geografischen Namen. Da die genannten faschistischen
Ministerialdekrete noch nie außer Kraft gesetzt wurden, gibt es in
Südtirol auch heute noch nur amtliche italienische Namen.

An diesem vom faschistischen Geist geschaffenen Zustand hat sich
seither kaum etwas geändert. Der Pariser Vertrag von 1946 sieht zwar
die Verpflichtung zur „zweisprachigen Ortsnamengebung“ vor, gibt aber
nicht an, wie weit diese Verpflichtung reichen soll. Auch die
einschlägige Bestimmung des Autonomiestatutes von 1948, die
wortwörtlich in das verbesserte Autonomiestatut von 1972 Eingang
gefunden hat, ist keineswegs so eindeutig und klar, wie der Herr
Landeshauptmann zu sagen pflegt. Die Bestimmung lautet: „In der Provinz
Bozen müssen die öffentlichen Verwaltungen gegenüber den
deutschsprachigen Bürgern auch die deutschen Ortsnamen verwenden, wenn
ein Landesgesetz ihr Vorhandensein festgestellt und die Bezeichnung
genehmigt hat“.

Es ist unbegreiflich, dass diese Bestimmung unverändert in das
verbesserte Autonomiestatut von 1972 aufgenommen wurde. Wohl aber ist
begreiflich, dass die Schaffung des geforderten Landesgesetzes immer
wieder hinausgeschoben wurde. Dieses Gesetz könnte ja nur nachweisen,
dass es die bodenständigen Namen überhaupt gibt, damit sie als amtliche
Namen neben den durch faschistische Ministerialdekrete festgelegten
italienischen Bezeichnungen, die gar nicht zur Debatte stehen,
verwendet werden können. Es müssten alle von Tolomei geschaffenen Namen
endgültig gut geheißen und angenommen werden. Und da die genannte
Bestimmung des Autonomiestatutes das Vorhandensein eines vollständigen
geografischen Namennetzes in italienischer Sprache offenbar als
selbstverständlich voraussetzt, müsste das Werk Tolomeis nicht nur
beibehalten, sondern sogar ausgebaut werden. Tolomei hat nur für rund
8000 geografische Objekte eine italienische Bezeichnung festgelegt,
aber der geografische Namenschatz Südtirols umfasst über 100.000 Namen,
für die erst eine italienische Entsprechung geschaffen werden müsste.
Das kann die genannte Bestimmung des Autonomiestatutes doch nicht
verlangen.

Eine gerechte Regelung des amtlichen Gebrauchs der geografischen Namen
durch ein Landesgesetz ist nur möglich, wenn die faschistischen
Namendekrete Mussolinis von 1923 und 1940 abgeschafft werden und die
angeführte Bestimmung des Autonomiestatutes eine vernünftige Änderung
bekommt. Aber die derzeit vorliegende Gesetzesvorlage der SVP hält sich
gar nicht an diese vorgegebenen Bestimmungen und sieht zwar vor, allen
bodenständigen Namen amtliche Gültigkeit zu verschaffen- allerdings
auch nur für den Gebrauch innerhalb der Provinz Bozen-, daneben aber
als amtlich gleichgestellte Namen rund 600 italienische Bezeichnungen
aus dem „Prontuario“ Tolomeis anzuerkennen. Alle Gemeinden,
Ortschaften, Täler, Flüsse und Seen, Gebirgszüge und markanten
Berggipfel sollten einen Doppelnamen bekommen. Aber gerade diese
Bezeichnungen bilden auf der amtlichen Landkarte bereits ein dichtes
Namennetz, durch das die geschichtlich gewachsene Kulturlandschaft
Südtirols in verlogener Weise entstellt und sich von der übrigen
Tiroler Kulturlandschaft markant unterscheiden würde.

Es kann doch nicht sein, dass eine zum deutschen Sprach- und Kulturraum
gehörige Provinz des demokratischen Staates Italien weiterhin mit einem
so schändlichen faschistischen Unrecht leben muss.

Deswegen ist die vorliegende, von der SVP als Kompromiss gedachte
Gesetzesvorlage entschieden abzulehnen. Für den amtlichen Gebrauch sind
nur

– die Endonyme, das sind die aus dem Stoff der bodenständigen
Sprachformen aus vordeutscher und deutscher zeit nach spracheigenen
Lautgesetzen gebildeten Namen;




– jene italienischen Exonyme, die ebenfalls nach alpenromanischen
Lautgesetzen aus den Endonymen entwickelt und bereits im Mittelalter
der italienischen Hochsprache lautlich angeglichen wurden.




– Alle künstlich geschaffenen Namenskonstruktionen haben hingegen im
amtlichen Bereich keine Berechtigung. Welche Exonyme eine sprach- und
lautgeschichtliche Verwurzelung haben, wurde bereits von Dr. Cristian
Kollmann wissenschaftlich exakt erarbeitet.

Dr. Egon Kühebacher 15. November 2009

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