Vor 50 Jahren – Carabinieri wegen Folterungen vor Gericht

Pinterest LinkedIn Tumblr +

Vor 50 Jahren begann am 20. August 1963 in Trient ein Prozess, der als Justizfarce  in die Geschichte eingehen sollte. Als die grausamen Folterungen Südtiroler Freiheitskämpfer durch die Carabinieri nicht mehr zu vertuschen waren und auch bedeutende Medien darüber berichteten, konnte Rom nicht umhin, zumindest einige Folterknechte vor Gericht zu bringen.



Vorher hatte man alles getan, um den Skandal nicht öffentlich werden zu
lassen. Der politische Häftling Sepp Mitterhofer bezeugt dies in seinen
Erinnerungen: „Der Untersuchungsrichter Dr. Martin, dem wir unsere
Erlebnisse bei den Carabinieri ebenfalls vortrugen, ignorierte einfach
unsere Aussagen. Dafür belastete er uns mit Strafartikeln, welche
zusammengerechnet bis zu 93 Jahre ausmachten.“  (Sepp Mitterhofer)

Zu
diesem Verhalten des Staatsanwaltes und des Untersuchungsrichters
passte auch, das Verhalten des Bozner Gefängnisarztes Dr. Piazza, der
die Häftlinge bei ihrer Einlieferung in das Gefängnis entgegen der
gesetzlichen Vorschrift zumeist nicht untersuchte, und in anderen Fällen
die Spuren der Misshandlungen nicht in das Untersuchungsprotokoll
aufnahm.

In Trient hatte jedoch der Amtsrichter von Neumarkt,
Dott. Luciano Cicciarelli, den beklagenswerten Zustand einiger
Untersuchungshäftlinge medizinisch untersuchen lassen und dann Ende Juli
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Trient gegen unbekannte Täter
erstattet. Die gefolterten Häftlinge hatten ihrerseits Anzeigen
eingebracht.

Nun bemühte sich die Staatsanwaltschaft Trient,
zusammen mit dem Untersuchungsrichter den Schaden zu begrenzen. Bei
Einvernahmen wurde den Gefolterten gedroht, dass sie mit schwerwiegenden
Strafen zu rechnen hätten, wenn sie ihre Anzeigen gegen die Polizei
nicht zurückzögen. Denn alles sei erlogen, die Aussagen der Carabinieri
hätten ergeben, daß niemand bei den Verhören misshandelt worden sei, und
„die italienische Polizei lügt nicht!“

Da die politischen
Südtiroler Gefangenen standhaft blieben, versuchte der
Untersuchungsrichter ihnen einzureden, sie würden in Kürze durch eine
Amnestie freigehen, deren Anwendung jedoch in Frage stehe, wenn sie die
Anzeigen nicht zurückzögen. Den Anwälten der Gefolterten wurde der
Einblick in die Dienstbücher der Carabinierikasernen verwehrt, wodurch
eine Identifikation der meisten zu diesem Zeitpunkt bereits an andere
Dienstorte versetzten Folterknechte verhindert wurde.

Insgesamt
lagen den italienischen Justizbehörden trotz aller vorangegangenen
Versuche, die Identifizierung der uniformierten Täter durch die
Angeklagten unmöglich zu machen oder zumindest zu erschweren, die
Anzeigen von 44 Häftlingen gegen 21 namentlich bekannte und
identifizierte Peiniger vor.

Dann kam es zu einer wundersamen
Verringerung der Opferzahl. Die Staatsanwaltschaft schränkte die Zahl
der Anzuklagenden auf 10 und damit die Zahl der Kläger auf 7 (statt 44)
ein.

Gegen 10 weitere Beschuldigte wurde das Verfahren
eingestellt, „weil sie die Tat nicht begangen haben“, weil die Anzeige
zu spät erfolgt sei oder weil die Taten wegen Geringfügigkeit unter die
letzte Amnestie gefallen waren.

Am 20. August 1963 begann in
Trient der Prozeß gegen die nach der wundersamen
Beschuldigten-Verminderung übrig gebliebenen zehn Carabinieri.

Der
Prozess endete, wie er für die damalige italienische „Rechtsprechung“
enden musste: Mit 8 Freisprüchen und 2 Verfahrenseinstellungen, da die
Tat zwischenzeitlich unter Amnestie gefallen sei. Das Urteil wurde von
den anwesenden Italienern mit Beifall und Jubelrufen wie „Viva l` Arma,
Viva l` Italia“ aufgenommen.

Die Nordtiroler Landesregierung gab folgende Erklärung ab:

“Tief
bestürzt erfuhren wir vom Freispruch im Carabinieriprozess in Trient.
Trotz des erdrückenden Beweismaterials, aus dem einwandfrei die
Misshandlungen von Südtiroler Häftlingen und die Erpressung von
Geständnissen hervorging, unterblieb jeglicher Schuldspruch (…). Kein
Tiroler wird das, was in Trient geschah, jemals vergessen. Auch in
Südtirol wird das Recht wieder siegen.“

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes

Share.

Leave A Reply

wwwww