Ein Toter kehrt heim – „Von der Heimat musste ich gehen, zu meiner Heimaterde kehre ich zurück.“

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{mosimage}Der Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberlechner darf erst im Sarg wieder in seine Heimat zurück. Heinrich Oberlechner, geboren am 24. April 1940 in Mühlen in Taufers, verstarb am 15. Dezember 2006 in der Fremde. Er wird am Donnerstag, den 21. Dezember 2006 seinen letzten Weg von Mühlen nach Taufers antraten, wo um 14.00 Uhr der Sterbegottesdienst in der Pfarrkirche Taufers abgehalten wird und wo Heinrich Oberlechner anschließend auf dem Ortsfriedhof beigesetzt wird.


Der Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberlechner darf erst im Sarg wieder in seine Heimat zurück. Heinrich Oberlechner, geboren am 24. April 1940 in Mühlen in Taufers, verstarb am 15. Dezember 2006 in der Fremde. Er wird am Donnerstag, den 21. Dezember 2006 seinen letzten Weg von Mühlen nach Taufers antraten, wo um 14.00 Uhr der Sterbegottesdienst in der Pfarrkirche Taufers abgehalten wird und wo Heinrich Oberlechner anschließend auf dem Ortsfriedhof beigesetzt wird.

Vorher wird auf dem Brenner, an der Grenze, die nach den Aussagen unserer Politiker so gut wie nicht mehr vorhanden ist, die Schützenkompanie Taufers antreten und den Sarg ihres Landsmannes unter Erweisung aller Ehren in Empfang nehmen.

Die Schützen werden ihren Kameraden, der erst als Toter wieder in seine Heimat durfte, nach dem Sterbegottesdienst zusammen mit seiner Schwester Martha, seinem Bruder Anton, den Nichten und Neffen sowie zahlreichen Landsleuten und Freunden auf seiner letzten Fahrt auf den Gottesacker begleiten.

Generaldecharge für einen Freiheitskämpfer

Dann wird sich auf dem Friedhof ein Schauspiel wiederholen, welches der ehemalige österreichische Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel im Jahre 1964 in einem Nachruf auf den von einem italienischen Spitzel und Agenten heimtückisch ermordeten Freiheitskämpfer Luis Amplatz beschrieben hat:

„Wenn in Tirol Schützen beerdigt werden, dann geht ein Stück vom alten Österreich mit. Säbel und Feldbinden, Sterne und Schützenschnüre, Fahnen und ein Rest des alten Reglements, das nur dem Allerheiligsten und dem Tod die höchste Ehrenbezeigung zukommen ließ: Die Generaldecharge, die Salve übers Grab.“

Die Grenze am Brenner, die es nach den Aussagen mancher Politiker angeblich so gut wie nicht mehr gibt, stand unerbittlich vor dem Heimkehrrecht eines Mannes, der für die Freiheit Tirols gekämpft, gelitten und auf alle weltlichen Güter und Reichtümer verzichtet hatte.

Jahrzehnte lang musste er von Familie und Freunden getrennt im Exil verbringen, denn zu Hause erwartete ihn die Verhaftung und das langsame Dahinmodern in einem italienischen Gefängnis bis an das Ende seiner Tage.

So musste Heinrich Oberlechner, einer der in den Sechzigerjahren des Südtiroler Freiheitskampfes von den italienischen Streitkräften so gefürchteten „Pusterer Buam“, nach langer und schwerer Krankheit in der Fremde sterben.


Er hatte die Trennung von der Heimat nie verwunden gehabt.

Erster Einsatz

Heinrich Oberlechner gehörte zu einer Gruppe von jungen Männern im Pustertal, Tauferer Tal und Ahrntal, die vor der Feuernacht die verbotenen Tiroler Fahnen gehisst, Flugzettel gestreut und in der Nacht hinter der Pfarrkirche in Mühlen einen 11 mal 9 Meter großen roten Tiroler Adler auf eine Felswand gemalt hatten, um der Besatzungsmacht zu zeigen:

Hier ist Tirol!

Dann waren sie dem Ruf Sepp Kerschbaumers gefolgt und hatten sich dem Befreiungsausschuß Südtirol (BAS) angeschlossen.

Nach der Feuernacht von 1961 erlebte Heinrich Oberlechner seinen ersten großen Einsatz zusammen mit dem Passeirer Schützenmajor Georg Klotz, dem Schützenleutnant Luis Amplatz aus Gries und dem Oberösterreicher Peter Kienesberger, der ein Bergkamerad von Amplatz war und sich dem Kampf seines Freundes angeschlossen hatte.

Die Männer querten die Grenze hoch in der Fels- und Eisregion der Stubaier Alpen in der Nähe des Timmelsjochs und zogen über die Berge bis Walten im Passeier, wo sie aus einem von Georg Klotz in einer Höhle angelegten Versteck weitere Waffen und Munition ausfaßten. Dann ging es weiter über die Hochregion der Sarntaler Alpen in das Sarntal.

Vor dem Kraftwerk in Rabenstein griffen die Männer eine italienische Einheit an. Sie schossen über die Köpfe der italienischen Soldaten hinweg. Es sollte keine Toten geben, sondern. In diesem Feuergefecht sollte die italienische Einheit nur das Fürchten lernen.

Heinrich Oberlechner erlebte, dass ein italienischer Soldat sich in das Schleusenwärterhaus verkroch und den kleinen Buben des Schleusenwärters, der im offenen Fenster saß, als Schutzschild benutzte, hinter dem heraus er auf die Freiheitskämpfer feuerte.

Der Weg zurück führte die Freiheitskämpfer durch das Pflerschtal über die Höhenlinie der Dreitausender wieder zurück nach Nordtirol.

Alles für die Heimat –

Die folgenden Einsätze führte Heinrich Oberlechner zusammen mit seinen Jugendfreunden Siegfried Steger, Josef Forer und Erich Oberleiter aus dem Ahrntal durch. Bei allen Kommandounternehmen waren sie bewaffnet. Sie hatten sich angesichts der schrecklichen Folternachrichten aus den Kerkern geschworen, nicht lebend in die Hände der Carabinieri zu fallen.

So gingen die jungen Burschen mit Gewehren und Maschinenpistolen in den Kampf, der bis 1967 andauern sollte. Sie operierten in der Nacht, sprengten Masten und lieferten sich Feuergefechte mit den italienischen Streitkräften, die mit Suchhunden und Hubschraubern hinter ihnen her waren. Zehntausende von Soldaten und Carabinieri schafften es mehrere Jahre hindurch nicht, ihrer habhaft zu werden.

Die Nächte gehörten ihnen. In dem von ewigem Eis bedeckten Reich der Dreitausender wechselten sie über die Grenze. Sie mussten aber zwischen ihren Einsätzen auch in Österreich im Untergrund leben. Freunde halfen ihnen. Sie arbeiteten bei Bauern, die sie versteckten und den Mund hielten, auf dem Hof und im Wald. Sie verdienten sich so ihren eigenen Unterhalt und bettelten bei Niemandem.

Der Dank des Vaterlandes: Vor Gericht in Österreich

Im Mai 1967 war die österreichische Bundesregierung bestrebt, die „Paket“-Verhandlungen um jeden Preis zum Abschluß zu bringen.

Österreich stand damals unter großem politischem Druck. Rom hatte die EWG-Assoziierung Österreichs mehr als deutlich von Zugeständnissen in der Südtirolfrage und von der Verfolgung Südtiroler Freiheitskämpfer abhängig gemacht.


Rom hatte mehrmals von Wien die Verhaftung der „Pusterer Buam“ und ihre Auslieferung nach Italien verlangt. Im Mai 1967 konnten die österreichischen Behörden Heinrich Oberlechner und Josef Forer verhaften. Sie kamen in Auslieferungshaft, ihre Auslieferung an Italien wurde aber durch zahlreiche Proteste und Demonstrationen von Südtirolfreunden in ganz Österreich und angesichts entsprechender Kommentare in den Medien zu einer politischen Unmöglichkeit.

Um die beiden Freiheitskämpfer nicht freilassen zu müssen, wandelten die österreichischen Justizbehörden die Auslieferungshaft nun in eine Untersuchungshaft um, die bis zum März 1968 andauern sollte.

Am 6. März standen die beiden „Pusterer Buam“ vor einem Wiener Geschworenengericht. Sie bekannten sich offen zum Freiheitskampf.

Forer betonte in seinem Schlusswort, dass er trotz polizeilicher und gerichtlicher Verfolgung in Österreich bei einer Volksabstimmung selbstverständlich für die Rückkehr Südtirols zum österreichischen Vaterland stimmen werde.

Heinrich Oberlechner sagte zu seinen Richtern: „Unser Ziel ist das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol. Die Italiener werden sonst ihr teuflisches Werk, Südtirol zu unterwandern und zu italianisieren, nie aufgeben.“

Die Wiener Geschworenen sprachen am 12. März 1968 Heinrich Oberlechner mit 7:1 und Josef Forer mit 8:0 Stimmen frei.

Statt die beiden Freiheitskämpfer zu entlassen, verhängten die Justizbehörden nun neuerlich eine Auslieferungshaft.

Erst am 7. August 1969, als sich die italienische Regierung mit Magnago über den „Paket“-Inhalt und mit Wien über den „Operationskalender“ zum „Südtirol-Paket“ und den Text der österreichischen Streitbeilegungserklärung geeinigt hatte, wurden Oberlechner und Forer enthaftet.

Worum es den „Pusterer Buam“ gegangen war

Heinrich Oberlechner hatte bereits vor dem österreichischen Gericht sein Bekenntnis abgelegt gehabt. Sein Freund und Mitkämpfer Siegfried Steger hat in dem Buch „Es blieb kein anderer Weg“ bekräftig, worum es damals gegangen war: „ … selbstverständlich über das Selbstbestimmungsrecht, um die Wiedervereinigung Tirols zu erreichen.“

Auch der damalige BAS-Chef Prof. Dr. Günther Andergassen sagte es unlängst: „Hätte es sich bei unseren Bemühungen bloß um die Autonomie und nicht um die Selbstbestimmung gehandelt, ich hätte keinen Finger dafür gerührt und ich hätte auch an der Feuernacht nicht teil genommen.“

So dachten damals alle Freiheitskämpfer. Daß sie die Autonomie erreichen halfen, ist im Nachhinein als großer Erfolg zu sehen. Das Ziel ihres Kampfes aber war höher gesteckt. Und der Auftrag, dieses Ziel eines Tages zu erreichen, das ist ihr Vermächtnis an die Nachkommenden.

Auch Heinrich Oberlechner hat ausschließlich für die Freiheit seiner Heimat gekämpft und für deren Heimkehr nach Tirol und nach Österreich.


Als sich sein Gesundheitszustand verschlechterte und er sein Lebensende deutlich vor sich sah, ließ Heinrich Oberlechner sein eigenes Grabkreuz mit einem darauf befindlichen Spruch anfertigen, der sein persönliches Schicksal wiedergibt:

„Von der Heimat musste ich gehen, zu meiner Heimaterde kehre ich zurück.“

Die „Pusterer Buam“ zeigten, wofür sie kämpften

Es hatte eine klare Bedeutung, dass die „Pusterer Buam“ die Gebirgsuniform der alten österreichischen Armee trugen, als sie in den Sechzigerjahren in den Kampf gingen. Bezeichnend war es auch, dass sie, wenn sie im Sextener Gebiet operierten, sich heimlich in der Nacht in den Friedhof einschlichen, um dort, mit der Maschinenpistole in der Hand, ein Gebet an dem Grab eines von ihnen verehrten Mannes zu verrichten. Sie beteten an der letzten Ruhestätte des Sextener Standschützenbergführers Sepp Innerkofler, des Helden der Drei Zinnen-Front im Ersten Weltkrieg.

Italien lässt die „Pusterer Buam“ nur als Tote in ihre Heimat

Nun deckt bald dieselbe Heimaterde auch Heinrich Oberlechner. Was immer Politiker auch schön zu reden versuchen – für Heinrich Oberlechner war die andauernde Teilung des Landes Tirol eine tägliche schmerzvolle Erfahrung. Seine Heimat stand immer noch unter Fremdherrschaft und die den Südtirolern aufgezwungene italienische Justiz, welche in den Sechzigerjahren folternde Carabinieri unbehelligt gelassen hatte, bedrohte ihn bis zu seinem Tode mit lebenslanger Haft.

Seine Heimkehr im Sarg zeigt uns, dass Italien gar nicht daran denkt, einen Akt der Gerechtigkeit zu setzen und den letzten im Exil lebenden Verfemten das Betreten der Heimat noch zu Lebzeiten zu gestatten. Auch seine heute noch lebenden Kameraden werden wohl erst als Tote wieder in die Heimat kommen.

Politiker sollten sich ein Beispiel nehmen – Wir gedenken eines teuren Kameraden !

Jeder österreichische Politiker sollte an Männer wie Oberlechner denken und an das, was sie geleistet und was sie geopfert hatten, bevor ihm das leichtfertige Wort über die Lippen kommt, dass die Wiedervereinigung des Landes Tirol eine unnütze und abgetane Sache sei.

Zumindest menschlicher Anstand sollte jedem solchen Politiker den Mund verschließen, um nicht das Andenken jener zu beleidigen, die für die Heimat alles gegeben haben.

Wir ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer gedenken eines treuen und teuren Kameraden, der sein Leben der Erringung der Tiroler Landeseinheit geweiht hatte. Und wir sind sicher, dass er einen großen Beitrag dazu geleistet hat, dass der Gedanke der selbst bestimmten Freiheit und der Landeseinheit nicht verloren gehen wird.

In Tirol wird man sich des Namens Heinrich Oberlechner noch erinnern, wenn die Erinnerung an alle Kleingeister längst verweht sein wird.

Diejenigen unter uns, welche die Unrechtsgrenze immer noch nicht überschreiten dürfen, senden unserem Kameraden einen letzten Gruß an sein Grab inmitten der Berge seiner geliebten Heimat.

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